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"Verantwortung" (Alfred Polgar, 1919)

Die leitenden Staatsmänner und Generäle übernehmen "die Verantwortung" für das Schicksal, das sie den Völkern auferlegen.
Aber was heißt in dem Fall: Verantwortung?
Einer ungeheuren Verantwortung müßte doch ein ungeheures Risiko dessen entsprechen, der sie übernimmt.
Ein unterernährter, müdgearbeiteter Motorführer, der durch ungeschicktes Lenken seines Wagens ein Malheur anrichtet, wird eingesperrt.
Was geschieht dem Staatsmann, der durch ungeschicktes Lenken des Staatswagens ein Malheur anrichtet?
Er geht in Pension.
Wenn durch des Motorführers Verschulden ein Mensch getötet wird, wandert der Motorführer auf Jahre ins Gefängnis.
Wenn der Feldherr nutzlos, erfolglos Zehntausende seiner Soldaten in den Tod geschickt hat, was erwartet ihn?
Ein Häuschen im Cottage. Dort pflanzt er, in einem verschnürten Samtrock und das Käppi auf dem Haupt, Rosen. Seine Lieblingssorten. Und schreibt Memoiren.
"Ich übernehme die Verantwortung", sagt der Minister so und so. Vor der Größe und dem kühnen Stolz dieses Wortes erbleichen die Zeitgenossen.
Aber es steht gar nicht das geringste dahinter.
Verantwortung ohne Sühne, deren Ungeheuerlichkeit der Ungeheuerlichkeit jener entspräche, ist ein leeres Wort.
Den Motorführer richten die Gerichte.
Den Staatsmann und den General richtet die Geschichte.
Sie überlassen ihr - so sagen sie im kritischen Fall -
"ruhigen Herzens das Urteil"!
Großartig, was? Erschütternd, wie?
Der Herr Minister übernahm die Verantwortung?
Halt, einen Augenblick! Wieviel Jahre Zuchthaus also,
falls die Sache schiefgeht? Oder wie oft wünschen
gehängt zu werden?
Was würden Exzellenz darauf antworten? "Ich über-
lasse das Urteil ruhig der Geschichte."
Und in der Tat haben jederzeit die Verantwortlichen
auch nur dann die Konsequenz aus ihrer Übernahme
der Verantwortung ziehen müssen, wenn das Volk Ge-
schichte gespielt hat.

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